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Anni Lehmann wurde am 26. September 1904 in Mainz geboren. Ihr Vater Hugo, ein gebürtiger Bretzenheimer, war zunächst als Prokurist und später als Direktor einer Privatbank tätig. Im Ersten Weltkrieg wurde er mit dem Eisernen Kreuz II.Klasse ausgezeichnet. Danach war er als selbstständiger Immobilienmakler tätig. Annis älterer Bruder Alfred trat nach seiner Schulzeit in das väterliche Geschäft. Die Mutter Emilie stammte aus Herborn im hessischen-nassauischen Dillkreis und führte am Schillerplatz ein Damenhutgeschäft. Im Jahre 1916 zogen die Lehmanns in ein Haus, das der Vater drei Jahre später kaufte.

Nach ihrer Schulzeit an der Höheren Mädchenschule sollte Anni Modezeichnerin werden. Während des Besuches der Kunstgewerbeschule nahm sie, zunächst gegen den Willen des Vaters, Gesangsunterricht bei Loni Meinert, einer gefeierten Sängerin des Mainzer Theaters. Von 1926 bis 1931 absolvierte sie beim Kapellmeister des Mainzer Theaters, Hans Lenzer, das Rollenstudium und bestand 1931 als eine von zwei Kandidatinnen unter 120 Bewerberinnen in Köln die Bühnenprüfung mit Erfolg . Sie hatte ein Repertoire von 125 Partituren vorzuweisen.

Die erste Verpflichtung erfolgte für die Spielzeit 1932/33 am Würzburger Theater. Nach dem 30. Januar 1933 waren an deutschen Bühnen jüdische Künstler unerwünscht. Mit großer Angst betrat Anni Lehmann am 1. April 1933, dem Tag des Judenboykottes, die Bühne - und erhielt, ganz entgegen ihrer Befürchtungen, Szenenapplaus. Trotz großer Erfolge der jungen Sängerin wurde der Vertrag wegen des politischen Klimas nicht verlängert.
So emigrierte Anni Lehmann im Mai 1933 nach Österreich. Zunächst schlug sie sich in Wien mit Gelegenheitsauftritten mühsam durch, bis sie in Innsbruck ein Engagement erhielt. 1934 wechselte sie in die Tschechoslowakei und arbeitete an Theatern in Brüx und Teplitz-Schönau.
Für eine Anstellung in Troppau war der Erwerb der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft Bedingung. Durch eine Scheinehe, die schon kurz darauf wieder geschieden wurde, erkaufte sich Anni Lehmann den "Heimatschein" für die Tschechoslowakei und war in Troppau engagiert. Aus Dankbarkeit behielt sie den Namen "Eisler" ihr Leben lang bei.

Obwohl Anni Eisler-Lehmann zum Publikumsliebling avancierte und eine vielversprechende Karriere vor ihr lag, ließ die politische Entwicklung in Europa nichts Gutes für jüdische Künstler erhoffen. Anni fasste im Frühjahr 1938 den Entschluss, nach Palästina zu gehen. Sie schaffte es, für Tel-Aviv ein Engagement zu erhalten. Ein Plakat für eine "Carmen"-Aufführung war dort bereits mit ihrem Namen publiziert. Doch das britische Konsulat verweigerte ihr das Einreisevisum.
Auch ihre Pläne, nach Übersee auszuweichen, gelangen nicht. Im September 1938 sang sie in Paris für die Met in New York vor. Anschließend fuhr sie trotz Warnungen von Freunden zurück nach Mainz, um mit ihrer Mutter und dem Bruder - der Vater war ein Jahr zuvor an Herzversagen gestorben - die Feiertage zu begehen und anschließend nach Troppau zu fahren, um ihren Verpflichtungen nachzukommen.